in: Religionsfreiheit im säkularen Staat, Hrsg. Julia Hänni et al., 2019, S. 97 ff.
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit beschlägt einen Teil des Verfassungsrechts, der in besonderem Mass Gegenstand der politischen Auseinandersetzung ist. Der Band «Religionsfreiheit im säkularen Staat» vertieft aktuelle Konfliktfragen zur Glaubens- und Gewissensfreiheit in der Schweiz, in Deutschland und weltweit. Denn auch für juristische Fragen hat sich das zuvor lange angekündigte nachmetaphysische Zeitalter nicht eingestellt. Immer mehr Personen sehen sich in der Ausübung ihres Glaubens gefährdet und setzen sich dagegen juristisch zur Wehr. Umgekehrt sehen sich vermehrt Personen in religiöse Handlungen einbezogen, die sie nicht teilen möchten. Entsprechende Urteile polarisieren, werden in der Öffentlichkeit immer stärker beachtet und setzen Richter und Richterinnen dadurch unter zunehmenden öffentlichen Druck.
Der Band bezweckt, juristische Problemstellungen und Entscheidungskonstellationen, die sich für die Gerichtsbehörden gegenwärtig stellen, der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussion zugänglich zu machen. Ausgeprägte Normkonflikte und Grundrechtskollisionen werden diskutiert und es werden Lösungen vorgeschlagen. Mit der Analyse der jüngeren leading cases sind die aktuellen Anwendungsmassstäbe des Verfassungsrechts Gegenstand der Untersuchungen. Dabei werden insbesondere auch neue Auslegungsformen und -tendenzen der Verfassungsinterpretation analysiert. Ziel der Beiträge ist, den Verfassungsdialog im Rahmen des friedlichen Zusammenlebens zu fördern und zu pflegen. Durch den interdisziplinären Ansatz werden die juristischen Anwendungsfragen zudem in einem thematisch erweiterten Kontext reflektiert.